Es bedarf einer Portion Mut zum Risiko, Theatergruppen und Kritiker von mehr als einem Dutzend internationaler und nationaler Teilnehmer in die Provinz zu locken … (von Dieter Topp)
Im südöstlichen Litauen liegt Alytus mit rund 60.000 Einwohnern, ca. 90 km südwestlich der Landeshauptstadt Vilnius in einer Flussschleife der Memel, je 50 km von den Grenzen zu Polen und der EU-Außengrenze zu Weißrussland. Mit dem Nationalpark Dzükija und einem Kurort enden bereits die Sehenswürdigkeiten. Doch vom kulturtouristischen Aspekt ausgehend sollte unbedingt das Theaterfestival COM.MEDIA des Stadttheaters Alytus Erwähnung finden, das Anfang November zum achten Male stattfand. „Für Jung und Alt, Besucher unterschiedlichen kulturellen Backgrounds, einer breiten Auswahl von Genres und Formaten, Erziehungs- und Unterhaltungsthemen, bis hin zu experimentellen Theaterformen, heißen wir litauisches und internationales Theaterschaffen im Süden unseres Landes willkommen“, so Theaterchefin Inesa Pilvelyté.
Es bedarf einer Portion Mut zum Risiko, Theatergruppen und Kritiker aus mehr als einem Dutzend internationaler und nationaler Teilnehmer in die Provinz zu locken, doch Inesa Pilvelyté ist allerseits bekannt für Ihre unkonventionelle und opportune Einstellung. Sie weiß eben, dass Qualität zählt und sich diese mittlerweile herumgesprochen hat, in der Hauptstadt Vilnius, in Kaunas, der kommenden Kulturhauptstadt Europa 2020, wie bei den Teilnehmer- und Besucherländern Dänemark, Deutschland, Estland, Japan, Mexico, Rumänien, Russland, Serbien und Weißrussland.
Litauisches Theater hat eine Menge im Angebot, eine kulturelle Drehscheide zwischen Ost und West, unterschiedliche Theaterschulen und Auffassungen. Die ersten Tage standen unter dem Aspekt, den Besuchern einige nationale und internationale Highlights zu präsentieren, ein paar überaus sehenswerte Produktionen.
COM.MEDIA 2019 startete mit einem Outdoor-Trommelhappening aus Japan zu Feuer und Feuerwerk, bei dem eine „Festival-Braut“ des Theaters Alytus alles Positive einsammelte und den Besuchern übergab.
Auf der Bühne dann die Begegnung zweier prominenter litauischer Könner
Saulius Saltenis schrieb ein Stück speziell für den Regisseur Eimuntas Nekrosius, das auf seinem gleichnamigen Roman basiert. Die Bühnenadaption des Klaipeda Theaters war besonders aktuell im Umfeld der Hundertjahrfeier des Staates Litauen. „Sons of the Bitch“ führt das Publikum zurück in das 18. Jahrhundert in den südwestlichen Teil des Litauens, das zu dieser Zeit preußisches Gebiet war.
Der Roman, ein vielschichtiges literarisches Werk, das sich mit der historischen Vergangenheit Litauens, Legenden, Aberglauben, Zaubersprüchen, Zauberei und Hexerei befasst und an alte heidnische Mythen erinnert, Auszüge aus der Heiligen Schrift, Mythologie, Leben und Tod, Ewigkeit und Alltag – alles organisch miteinander verwoben und wechselnd zwischen den Elementen.
Es berührte bei dieser Vorstellung die Essenz der litauischen Nation, ihre archaischen, existenziellen Ursprünge und die tiefe Stärke des Überlebens der Nation. Mit seiner Zurückhaltung, tiefen und etwas unterdrückten Emotionen, seiner ästhetischen und unlösbaren Symbolik vermittelte das Stück mit überraschender Genauigkeit den Geist der Region Klaipeda und Kleinlitauen.
Aus dem rumänischen Targoviste brachte das Tony Bulandra Theater, bei dem Alytus Theater im vergangenen BABEL-Festival zu Gast war, eine Othello Interpretation des armenischen Regisseurs Suren Shahverdyan. Feldherr Othello (Liviu Cheloiu), der aus übertriebener und durch den Intriganten Iago beförderter Eifersucht seine geliebte Ehefrau Desdemona und daraufhin sich selbst tötet, bot Gefühle und deren gewaltige und häufig gewalttätige Ausbrüche in einem dunklen Shakespeare-Spektakel. „Wir sollten an unsere eigenen Vergehen denken und versuchen, nicht aus Liebe zu sterben, sondern für ebendiese zu leben“, so der Regisseur als Aufruf, nicht das Vertrauen in die zu verlieren, die uns umgeben. Die Vorstellung begeisterte in dieser Darstellungsform in Süd-Korea und der Türkei.
Shahverdyan hatte gerade T. Williams“ „Endstation Sehnsucht“ in Litauen zur Premiere gebracht. Süd-Koreanische Theater machten bereits mehrfach Station im Tony Bulandra Theater. Künstlerischer Austausch steht bei beiden Häusern hoch oben auf der Agenda.
Mit zwei Stücken sehr unterschiedlicher Intention wartete Alytus auf.
In „Sunny Line“ des (kritischen) russischen Schriftstellers Ivan Aleksandrovich Vyrypaev, einer führenden Figur der russischen Neuen Drama Bewegung, boten Tertelis und Verta Sumilovaité-Tertelis (Open Circle Theater) Emotionen ähnlicher Art. Ein Ehepaar gerät in seiner Beziehung an Punkte der Auseinandersetzung. Gewaltig – weniger gewalttätig als in der Vorlage – versuchten die beiden (selber Ehepaar) Darsteller mit Komik und Tragikomik ihre speziellen „Probleme einer Ehe“ in einer Vorstellung mit therapeutischem Hintergrund gemeinsam mit viel Ironie und einer Portion Humor und besonders gegenseitiger Anerkennung zu meistern.
(NOT) CHILDREN’S GAME
Was Fausto Paravidinos Story über die Krankheit der „Familie M“ für Italien gewesen, das ist Herkus Kuncius Drama KEINE KINDERSPIELE für Litauen. Wo der eine noch Leben und Überleben in grauen Vorstädten Italiens beschreibt, geht der litauische Dramatiker einen Schritt weiter.
Auch Kuncius und Regisseur Albertas Vidziunas nehmen eine Familie als pars pro toto, um auf breiter Ebene menschliches Miteinander zu entblößen. Vom Haushaltslevel bis zur Universaldimension wird in einem Wohnblock gnadenlos offen und Tabu brechend die Realität einer „modernen Familie“ in märchenhaft realistischer, karikierender Groteske bebildert.
Parallelen zu Marius von Mayenburgs Stück „Feuergesicht“ kommen komprimiert in einzelnen Szenen auf. Robert Wilson ähnlich wurde den Figuren die Individualität um einer Generalisierung willen durch teils weiße oder starre Gesichter genommen.
Der Schriftsteller sieht sich in einem internationalen Umfeld, weiß jedoch darüber hinaus zu gehen und eine eigene Aussage in obszöner, Tabu brechender Sprache zu finden, unterstützt durch eine gekonnt strenge Regie (und sehr guten Akteuren!) in einem stilistisch einfachen, jedoch visuell umwerfenden Bühnen- und Lichtbild (Arturas Simonis).
Kuncius belässt die Welt von Paravidino und von Mayenburg der Vergangenheit und beschreibt ein hoch aktuelles Sozialniveau im digitalen Zeitalter.
Bravo den Darstellern, danke dem Theater Alytus, sei nicht nur für diesen Einblick ins COM-MEDIA Festival gesagt. Vielmehr konnten sich die Gäste im russischen Theater Vilnius auch von einer gegensätzlichen Schule des Theaters in Litauen vergewissern. Ein spannender Festivalauftakt, dem noch eine weitere Vorstellungswoche folgte. Es macht Lust auf mehr Alytus, Kaunas, Vilnius und Litauen besonders im Europa Jahr 2020…
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